Konrad Umlauf: Erfahrungsstufen (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2020, Abschn. 6.6.3)
Die Tarifverträge sehen nicht nur eine Hierarchie der Tätigkeitsmerkmale vor, sondern in jeder Entgeltgruppe – also bei gleichen Tätigkeitsmerkmalen – sind Erfahrungsstufen vorgesehen. Je länger die einschlägige Berufserfahrung, desto höher die Erfahrungsstufe. Als einschlägige Berufserfahrung sehen die Tarifverträge eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogene entsprechenden Tätigkeit an. Einem Bibliothekar, der zunächst einige Jahre in der Kulturverwaltung tätig war und erst dann in eine Bibliothek wechselt, könnten jene Jahre der Berufserfahrung also nicht angerechnet werden. Aber die Formulierung im Tarifvertrag: aufdie Aufgabe bezogene entsprechende Tätigkeit enthält Interpretationsspielräume.
Den meisten Entgeltgruppen sind sechs Erfahrungsstufen zugeordnet. Es entsteht also eine Tabelle nicht nur mit Zeilen, sondern auch mit Spalten. Höheren Erfahrungsstufen sind höhere Monatsentgelte zugeordnet. Beispiele aus der Entgelttabelle Kommunen für die Laufzeit 1.4.2019-29.2.2020 sind:
EG 6 Erfahrungsstufe 6: 3.173.47 Euro
EG 9a Erfahrungstufe 1: 2.926.82 Euro
EG 10 Erfahrungsstufe 1: 3.331.93 Euro
EG 10 Erfahrungsstufe 6: 4.749.89 Euro.
Es wird deutlich, dass in niedrigeren Entgeltgruppen bei langjähriger Berufserfahrung ein höheres Monatsgehalt erreicht wird als in manchen höheren Entgeltgruppen durch Berufsanfänger. Ferner zeigen die Beispiele, dass der öffentliche Dienst nach dem Willen der Tarifpartner die Treue zum Arbeitgeber belohnt. Allerdings kann sich die Stufenregelung mobilitätshindernd auswirken, denn damit der Beschäftigte Anspruch auf eine höhere Erfahrungsstufe als Stufe 3 hat, muss die Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber erworben sein. Die Mitnahme höherer Erfahrungsstufen zu einem anderen Arbeitgeber ist eine Kann-Bestim-mung in den Tarifverträgen. Die Entscheidungsbefugnis hierüber liegt beim Arbeitgeber. Es gilt (§§ 16 und 17 der Tarifverträge) für Bund, Länder und Kommunen, soweit in der folgenden Aufzählung nicht auf einzelne Bereiche eingeschränkt wird:
Berufsanfänger werden der Erfahrungsstufe 1 zugeordnet.
Bei einschlägiger Berufserfahrung von mindestens einem Jahr erfolgt die Einstellung neuer Mitarbeiter in Stufe 2.
Bei einschlägiger Berufserfahrung von mindestens drei Jahren erfolgt die Einstellung neuer Mitarbeiter in der Regel in Stufe 3.
Für die Länder als Arbeitgeber gilt: Einschlägige Berufserfahrungen aus einem früheren Arbeitsverhältnis beim selben Arbeitgeber führen dazu, dass die die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis erfolgt.
Der Arbeitgeber kann Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Beispielsweise kann der Arbeitgeber einen neuen Bibliotheksmitarbeiter mit zehn Jahren Berufserfahrung vielleicht im Buchhandel (das Kriterium mindestens drei Jahre ist also erfüllt, das Kriterium der auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit könnte ebenfalls als erfüllt angesehen werden) in eine höhere Erfahrungsstufe als Stufe 3 einordnen. Der Bewerber hat Verhandlungsspielraum, den zu nutzen sich wohl erst nach der Zusage des Arbeitgebers empfiehlt.
Bei unmittelbarem Wechsel des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst kann die in dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis erworbene Stufe bei der Stufenzuordnung ganz oder teilweise berücksichtigt werden. Auch diese Kann-Bestimmung eröffnet also einen Verhandlungsspielraum. Schlimmstenfalls fällt jedoch ein Bibliothekar mit zwanzig Jahren Berufserfahrung bei Wechsel zur Bibliothek eines anderen Arbeitgebers in Erfahrungsstufe 3 oder gar 2 zurück.
-
Beschäftigte, die beim selben Arbeitgeber in derselben Entgeltgruppe seit einiger Zeit beschäftigt sind, erreichen die nächst höhere Stufe nach folgender Regelung:
- –
Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
- –
Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,
- –
Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,
- –
Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4,
- –
Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.
Die Zuordnung zu Stufe 4 und zu höheren Stufen erfolgt allerdings in Abhängigkeit von der Leistung des Beschäftigten. Der Arbeitgeber kann bei guter Leistung den Stufenaufstieg beschleunigen bzw. bei schlechter Leistung den Stufenaufstieg verlangsamen. Dies kann für etliche Beschäftigte ein leichter gangbarer Weg zu einem höheren Gehalt sein als der Versuch der Höhergruppierung in eine höhere Entgeltgruppe. Der beschleunigte Stufenaufstieg kann ein stärkerer Leistungsanreiz als die leistungsorientierte Bezahlung sein, die im TVöD-Bund und TVöD-Kommunen vorgesehen ist.
Nur beim Bund und bei den Ländern als Arbeitgeber gilt außerdem: Beschäftigten kann der Arbeitgeber ein bis zu zwei Erfahrungsstufen höheres Entgelt vorab gewähren, wenn anders der Personalbedarf nicht gedeckt werden kann oder wenn qualifizierte Fachkräfte gebunden werden sollen. Es kann sich also lohnen, mit der Zusage eines anderen Arbeitgebers in der Tasche Bleibeverhandlungen zu führen.
Bei Höhergruppierung werden die Beschäftigten des Bundes der gleichen Erfahrungsstufe zugeordnet, die sie in der niedrigeren Entgeltgruppe erreicht haben, mindestens jedoch der Stufe 2. Dies gilt seit 1.3.2017 auch für die Beschäftigten der Kommunen (stufengleiche Höhergruppierung). Bis dahin wurden kommunale Beschäftigte bei Höhergruppierungen in der Erfahrungsstufe nach einer komplizierten Rechnung zurückgestuft, durften jedoch kein geringeres Monatsgehalt als vorher erhalten. Dieser Ausschluss der Rückstufung gilt allerdings nicht für diejenigen Höhergruppierungen kommunaler Beschäftigter, die im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Entgeltordnung Kommunen zum 1.1.2017 erfolgen.