Konrad Umlauf: Tätigkeitsmerkmale (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2020, Abschn. 6.6.2)
Die Entgeltordnungen ordnen jeder Entgeltgruppe Tätigkeitsmerkmale zu. Diese beschreiben die Anforderungen, die die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit an die Qualifikation und ggf. persönlichen Voraussetzungen des Beschäftigten stellen. In diesem Abschnitt werden Charakter und Funktion der Tätigkeitsmerkmale dargestellt. In den Abschnitten 6.6.4 bis 6.6.6 sind die Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte in Bibliotheken aufgelistet und beispielhaft sind ihnen Aufgaben des Bibliothekspersonals zugeordnet.
Tarifautomatik
Die Tarifverträge sehen eine Tarifautomatik vor. D.h. ausschlaggebend für die Eingruppierung eines Tarifbeschäftigten ist nicht, welche Entgeltgruppe in seinem Arbeitsvertrag genannt ist, sondern welche Tätigkeitsmerkmale auf seine nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zutreffen (jeweils §§ 12, 13 in den Tarifverträgen). Als Beispiel sollen hier die EG 5, EG 6 und EG 9a der Entgeltordnung Kommunen angeführt werden (Tabelle 1):
EG |
Tätigkeitsmerkmal laut Entgeltordnung Kommunen |
Kommentar |
5 |
Fallgruppe 1. Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und entsprechender Tätigkeit.
Fallgruppe 2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
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Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, die Tätigkeiten auszuüben haben, die diese Ausbildung erfordern, werden hier eingruppiert. Ebenso werden Mitarbeiter, die diese Ausbildung nicht haben, aber solche Tätigkeiten ausüben, hier eingruppiert. |
6 |
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert, sowie
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
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Über das für EG 5 in der jeweiligen Fallgruppe genannte Merkmal hinaus muss die Tätigkeit höhere Anforderungen hinsichtlich der erforderlichen Fachkenntnisse erfüllen, und zwar gründliche und vielseitige bzw. nur vielseitige Fachkenntnisse. |
9a |
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit selbständige Leistungen erfordert. |
Über eines der beiden Tätigkeitsmerkmale in EG 6 hinaus muss die Tätigkeit so wenig vorgegeben sein, dass selbstständige Leistungen verlangt werden. |
Tabelle 1: Beispiele für Tätigkeitsmerkmale nach der Entgeltordnung Kommunen |
Ein Beschäftigter in Entgeltgruppe (EG) 6 mit dem Abschluss als Fachangestellter für Medien- und Informationsdienste (FaMI) in einer sehr kleinen Filialbibliothek, der faktisch diese Bibliothek leitet, weil es außer ihm nur noch zwei ihm unterstellte Hilfskräfte in Teilzeit gibt, kann, auch wenn in seinem Arbeitsvertrag die EG 6 festgelegt ist, die Eingruppierung nach EG 9a verlangen. Denn ein Tätigkeitsmerkmal für EG 6 lautet in der Entgeltordnung Kommunen: Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert. Das Tätigkeitsmerkmal der EG 5 Fallgruppe 1 ist: Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und entsprechender Tätigkeit. In die EG 5 wird also eingruppiert, wer den FaMI-Abschluss hat und FaMI-Aufgaben auszuüben hat. In die EG 6 wird eingruppiert, auf wen diese Merkmale zutreffen, und dessen Tätigkeit außerdem gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert. Diese Fachkenntnisse hat der Arbeitgeber mit der Festlegung der EG 6 im Arbeitsvertrag anerkannt. Die Leitung einer sehr kleinen Filialbibliothek erfordert jedoch nicht nur gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, sondern darüber hinaus selbstständige Leistungen, z. B. in der Personalführung (in diesem Beispiel zwei Hilfskräfte). Genau dies ist das Tätigkeitsmerkmal der EG 9a: Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit selbständige Leistungen erfordert. Es wird deutlich, dass die Tätigkeitsmerkmale teilweise aufeinander aufbauen, es geht also in vielen Entgeltgruppen um Merkmale der Heraushebung aus niedrigeren Entgeltgruppen.
In der Praxis ergeben sich jedoch folgende Probleme:
Nach § 12 (2) TVöD-Kommunen müssen zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die das betreffende Tätigkeitsmerkmal oder die betreffenden Tätigkeitsmerkmale erfüllen (50-%-Regel). Diese Tätigkeitsmerkmale müssen also keineswegs auf alle Aufgaben während der gesamten Arbeitszeit zutreffen. Der Beschäftigte muss im Zweifelsfall aber nachweisen, dass diejenigen Arbeitsvorgänge, die die selbstständigen Leistungen erfordern wie z. B. Personalführung oder Bestandsaufbau mindestens 50 % der Arbeitszeit füllen. In der Regel führt der Beschäftigte für diesen Nachweis ein Jahr lang ein Arbeitstagebuch, das der Vorgesetzte täglich abzeichnet.
Wenn im Arbeitsvertrag oder in der Arbeitsplatzbeschreibung (Stellenbeschreibung) nicht ausdrücklich die Leitung der Bibliothek genannt ist, könnte es nicht leicht sein nachzuweisen, dass der Arbeitgeber dem Beschäftigten diese Aufgabe ohne explizite Aufgabenstellung übertragen hat. Die Tarifverträge verlangen nicht, dass die Aufgabenübertragung schriftlich erfolgen muss. Die faktische Ausübung im Auftrag des Arbeitgebers genügt. Wenn beispielsweise der FaMI-Beschäftigte die Urlaube seiner Mitarbeiter auf der Urlaubskarte befürwortet, Neuerwerbungen veranlasst und weitere für die Leitungsfunktion typische Tätigkeiten wahrnimmt, ohne dass der nächsthöhere Vorgesetzte noch abzeichnet, und wenn diese Tätigkeiten mindestens 50 % seiner Arbeitszeit umfassen, dann sind die Chancen auf Eingruppierung in EG 9a gut.
-
Generell ist die Eingruppierung dann konfliktfreier vorzunehmen, wenn eine Arbeitsplatzbeschreibung vorliegt, die folgende Eigenschaften aufweist:
- –
Die Aufgaben am Arbeitsplatz sind zutreffend in der Arbeitsplatzbeschreibung enthalten. Verbreitet in der Praxis sind jedoch veraltete Arbeitsplatzbeschreibungen, die Aufgaben aufführen, die gar nicht mehr ausgeübt werden, und andere Aufgaben, die an deren Stelle getreten sind, nicht nennen.
- –
Für jede Aufgabe (Arbeitsvorgang) ist der zeitliche Anteil an der gesamten Arbeitszeit (ggf. der Teilzeit) aktuell zutreffend angegeben.
- –
Die Aufgaben (Arbeitsvorgänge) sind terminologisch so beschrieben, dass auch für Personen ohne bibliotheksbezogene Fachkenntnisse eine Verbindung zu der Terminologie der Tätigkeitsmerkmale einsichtig ist, z. B. indem als Anforderung an einen Stelleninhaber im Einstelldienst nicht formuliert wird: Kenntnis der Aufstellungssystematik, sondern: gründliche Fachkenntnisseder Aufstellungssystematik, was auf Formulierungen in EG 5 und höheren Entgeltgruppen Bezug nimmt. Oder man formuliert nicht: Bestandsaufbau, sondern: Auswahlentscheidungen für Neuerwerbungen auf Basis gründlicher und umfassender Fachkenntnisse der Medienmärkte, was auf Formulierungen in EG 9b Bezug nimmt (gründliche und umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen).
Die vierte Schwierigkeit kann darin bestehen, dass der Arbeitgeber als Reaktion auf einen Antrag zur Höhergruppierung Anweisung erteilt, die entsprechenden Tätigkeiten nicht mehr auszuüben, also in diesem Beispiel den Vorgesetzten veranlasst, entsprechende Vorgänge (im Beispiel Bestellungen von Neuerwerbungen, Urlaubskartei) stets abzuzeichnen. Dann kann es in einem Rechtsstreit vor Gericht nur noch um die Frage gehen, ob der Arbeitgeber für die Zeit der selbstständigen Aufgabenwahrnehmung rückwirkend die Vergütungsdifferenz zwischen beiden Entgeltgruppen zahlt, im Beispiel die Differenz zwischen EG 6 und EG 9a. Die Differenz im Brutto-Monatsgehalt beträgt für Berufsanfänger in 2017 ca. 367 Euro.
Die Tätigkeitsmerkmale müssen folgendermaßen verstanden werden:
Alle einzelnen Merkmale müssen zutreffen
Auf den Arbeitsplatz bzw. den Arbeitsvorgang bzw. den Stelleninhaber müssen, damit in die entsprechende Entgeltgruppe eingruppiert werden kann, alle einzelnen Merkmale zugleich zutreffen, die in der Entgeltordnung für die betreffende Entgeltgruppe, ggf. für die betreffende Fallgruppe aufgeführt sind. Als Beispiel soll die bereits angeführte Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 der Entgeltordnung Kommunen dienen:
Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1: Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und entsprechender Tätigkeit.
Dieses Tätigkeitsmerkmal enthält zwei Kriterien:
Beide Kriterien müssen erfüllt sein. Ein Fachangestellter für Medien- und Informationsdienste erfüllt kraft bestandener Prüfung das erste Kriterium. Wenn er Aufgaben hat, die dieser Ausbildung entsprechen, erfüllen seine Tätigkeiten auch das zweite Kriterium. Wenn er überwiegend Aufgaben wahrnimmt, für die er überqualifiziert ist (z. B. Bücher einstellen oder Ausgabe von Medien), erfüllen seine Tätigkeiten das zweite Kriterium nicht und der FaMI wird niedriger als in EG 5 Fallgruppe 1 eingruppiert.
Einige Tätigkeitsmerkmale nennen ein personenbezogenes Kriterium (z. B. EG 9 Länder: Dipl.-Bibl. oder vergleichbarer Hochschulabschluss) und fordern entsprechende Tätigkeit. Aber das Tätigkeitsmerkmal der EG 9 Länder formuliert weiter: sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Taucht diese Formulierung auf, muss das personenbezogene Kriterium nicht erfüllt sein, nur das Kriterium der entsprechenden Tätigkeit (also Aufgaben, für deren fachgerechte Ausübung die Qualifikation erforderlich ist, wie sie typischerweise mit einem Bachelor- bzw. Diplom-Abschluss bescheinigt wird, auch wenn der Stelleninhaber kein entsprechendes Zeugnis vorlegen kann). In der Praxis ist es allerdings schwer, ohne Zeugnis die angemessene Eingruppierung durchzusetzen, es sei denn, im Arbeitsvertrag oder in der Arbeitsplatzbeschreibung werden explizit bibliothekarische Tätigkeiten genannt. Dann hat der Arbeitgeber dem Stelleninhaber die geforderten gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen auch ohne Zeugnis bescheinigt.
Heraushebungsmerkmale
Die Tätigkeitsmerkmale vieler Entgeltgruppen nehmen auf die Tätigkeitsmerkmale niedrigerer Entgeltgruppen derselben Entgeltordnung Bezug, indem sie gegenüber der niedrigeren Entgeltgruppe Heraushebungsmerkmale nennen. In diesen Fällen müssen sowohl die Kriterien der im Tätigkeitsmerkmal genannten niedrigeren Entgeltgruppe erfüllt sein wie auch die Heraushebungsmerkmale. Ein kompliziertes Beispiel ist die EG 9a der Entgeltordnung Kommunen, weil hierin explizit auf die EG 6 und implizit auf die EG 5 Bezug genommen wird. Das Tätigkeitsmerkmal der EG 9a in der Entgeltordnung Kommunen lautet:
EG 9: Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit selbständige Leistungen erfordert.
Für die Eingruppierung in EG 9a müssen die drei folgenden Kriterien erfüllt sein (siehe dazu Tabelle 1), und zwar für Arbeitsvorgänge, die mindestens die Hälfte der Arbeitszeit ausfüllen:
- 1)
a) erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren oder b) Tätigkeit, die gründliche Fachkenntnisse erfordert,
- 2)
c) Tätigkeit, die nicht nur gründliche, sondern auch vielseitige Fachkenntnisse erfordert oder d) Tätigkeit, die vielseitige Fachkenntnisse erfordert. Der Bezug auf die jeweiligen Fallgruppen in den Tätigkeitsmerkmale führt dazu, dass entweder a) in Kombination mit c) vorliegen muss oder b) in Kombination mit d).
- 3)
e) Tätigkeit, die selbstständige Leistungen erfordert.
Es geht hinsichtlich der Heraushebungsmerkmale darum, durch Vergleich der Arbeitsvorgänge an niedriger bewerteten Arbeitsplätzen mit den Arbeitsvorgängen am eigenen Arbeitsplatz darzulegen, dass die Heraushebungsmerkmale auf die Arbeitsvorgänge am eigenen Arbeitsplatz zutreffen:
Bauen Tätigkeitsmerkmale aufeinander auf, genügt für einen schlüssigen Vortrag im Eingruppierungsrechtsstreit nicht allein eine genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit. Vielmehr sind diejenigen Tatsachen darzulegen, die einen wertenden Vergleich erlauben, ob sich die Tätigkeit entsprechend den tariflichen Heraushebungsmerkmalen aus der Grundentgeltgruppe heraushebt. (LSK 2016, 170518, beck-online; BAG: Entscheidung vom 18.11.2015 – 4 AZR 605/13).
Zeitliches Maß
Die Tätigkeitsmerkmale müssen nicht auf alle Arbeitsvorgänge und nicht auf die gesamte Arbeitszeit zutreffen. Die personenbezogenen Tätigkeitsmerkmale (z. B. abgeschlossene Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Dipl.-Bibl.) in der EG 9 der Entgeltordnung Länder) treffen per se auf die gesamte Arbeitszeit zu. Andere Tätigkeitsmerkmale können nur auf einen Teil der Arbeitszeit bzw. der Arbeitsvorgänge zutreffen, z. B. selbstständige Leistungen, wenn der Beschäftigte verschiedene Arbeitsvorgänge auszuüben hat, z. B. Bücher einstellen und Katalogisierung und Aufsicht im Lesesaal. Die Tarifverträge sagen hierzu in der Sache übereinstimmend (§ 12):
1Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. 2Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. … 4Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. 5Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 bis 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses.
Es genügt also für die Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe, wenn deren Tätigkeitsmerkmale auf Tätigkeiten bzw. Arbeitsvorgänge zutreffen, die in der Regel mindestens 50 % der Arbeitszeit umfassen (50-%-Regel) bzw. die mindestens ein anderes genanntes zeitliches Maß umfassen, z. B. ein Drittel, ein Viertel oder ein Fünftel. Wenn an einem Arbeitsplatz mehrere verschiedene Tätigkeiten auszuüben sind bzw. mehrere verschiedene Arbeitsvorgänge zu den Aufgaben gehören, dann ist es für die Eingruppierung also erforderlich, den zeitlichen Anteil der verschiedenen Tätigkeiten bzw. Arbeitsvorgänge festzustellen. In der Praxis sind Arbeitsplatzbeschreibungen, die hinsichtlich der kritischen Tätigkeitsmerkmale auf genau das geforderte zeitliche Maß kommen, kritisch zu beurteilen, weil der Arbeitgeber Zweifel geltend machen kann, ob entsprechende Tätigkeiten tatsächlich dieses Maß erreichen – beispielsweise eine Viertelstunde weniger Bibliografier- und Signierdienst pro Woche, und schon gilt das Kriterium selbstständige Leistungen als nicht erfüllt, weil es auf weniger als 50 % der Arbeitszeit zutrifft.
Umgekehrt bedeutet diese 50-%-Regel, dass an einem Arbeitsplatz mit teils hochwertigen, teils geringwertigen Aufgaben zu weniger als 50 % hochwertige Aufgaben wahrgenommen werden können, ohne dass diese hochwertigen Aufgaben zu einer höheren Eingruppierung führen. Bei der Aufgabenverteilung in einer Bibliothek können also tendenziell zwei Pfade beschritten werden: Zentralisierung aller höherwertigen Aufgaben auf wenige Arbeitsplätze, die mehr oder minder zu 100 % höherwertige Aufgaben wahrnehmen, denen aber eine beträchtliche Anzahl weniger hoch eingruppierter Arbeitsplätze gegenüber stehen, oder Verteilung der Aufgaben so auf die Arbeitsplätze, dass möglichst viele Arbeitsplätze einen Anteil höherwertiger Aufgaben von 55 % oder wenig mehr haben. Freilich sind bei der Aufgabenverteilung nicht nur Aspekte der Eingruppierung, sondern auch der Motivation zu berücksichtigen und die Frage, ob für die gewünschte Aufgabenverteilung genügend geeignete Mitarbeiter verfügbar sind. Die Organisationskompetenz fällt allerdings i. d. R. nicht in die Zuständigkeit der Bibliotheksleitung, sondern eines Personal- oder Organisationsamtes, einer Behördenleitung, eines Kanzlers o. ä., so dass die Bibliothek für die interne Aufgabenverteilung nur genehmigungspflichtige Vorschläge unterbreiten kann.
Diejenigen Tätigkeitsmerkmale, für die die Entgeltordnungen ein abweichendes zeitliches Maß nennen, sind u. a.:
Entgeltordnung Bund EG 6: ein Viertel selbstständige Leistungen
Entgeltordnung Kommunen EG 7: ein Fünftel selbstständige Leistungen
Entgeltordnung Kommunen EG 8: ein Drittel selbstständige Leistungen.
Diese Beispiele zeigen auch, dass die Tarifpartner Entgeltordnungen vereinbart haben, die bei gleichen Aufgaben je nach Bereich (Bund, Kommunen) zu unterschiedlichen Entgeltgruppen führen. Die Gewerkschaften haben Entgeltordnungen akzeptiert, die ihrem Mantra „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht entsprechen.
Unbestimmte Rechtsbegriffe
Weit verbreitet in den Formulierungen der Tätigkeitsmerkmale sind unbestimmte Rechtsbegriffe, also Formulierungen, die in den Entgeltordnungen kaum oder nur schwach definiert und stark interpretationsbedürftig und –fähig sind. Beispiele sind:
selbstständige Leistungen. Die Entgeltordnungen definieren immerhin: Selbständige [sic!] Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Niveau der Selbstständigkeit ist also niedrig.
gründliche und vielseitige Fachkenntnisse: Auch hier eine vage und tautologische Definition der Entgeltordnungen: Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der die/der Beschäftigte tätig ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis der/des Beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Das sagt nicht viel aus, aber immerhin sind diese gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse doch vergleichsweise begrenzt zu verstehen.
Die unbestimmten Rechtsbegriffe werden im Abschnitt 6.6.7 näher erläutert.
Allgemeine und spartenspezifische (spezielle, besondere) Tätigkeitsmerkmale
Die Entgeltordnungen gliedern sich uneinheitlich. Zu erkennen sind aber jeweils ein allgemeiner Teil und spartenbezogene Teile. Die allgemeinen Teile sind teilweise wiederum untergliedert nach Bereichen wie Büro-, Buchhalterei, sonstiger Innendienst und Außendienst oder Beschäftigte in der Informations- und Kommunikationstechnik. Die besonderen Teile gelten für Zweige der öffentlichen Verwaltung wie z. B. Krankenhäuser oder Sparkassen. Die Tarifverträge schreiben vor, dass nur diejenigen Tätigkeitsmerkmale in einem Bereich bzw. in einer Sparte angewendet werden dürfen, für die sie vorgesehen sind. Nur wenn für einen Bereich oder eine Sparte keine spezifischen Tätigkeitsmerkmale enthalten sind, dürfen die Tätigkeitsmerkmale des Bereichs Büro-, Buchhalterei, sonstiger Innendienst und Außendienst angewendet werden.
Bei den Kommunen werden für Beschäftigte in Bibliotheken, Büchereien, Archiven, Museen und anderen wissenschaftlichen Anstalten sowie für medizinische Dokumentare bei den Entgeltgruppen 2 bis 12 die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale des Büro-, Buchhalterei, sonstigen Innendienstes und des Außendienstes angewendet (Änderungstarifvertrag Nr. 12 vom 29. April 2016 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005, Teil A Abschnitt I Ziffer 3). Für die Entgeltgruppen 13 bis 15 werden bei den Kommunen allgemeine Tätigkeitsmerkmale angewendet
Beim Bund werden für Beschäftigte in Archiven, Bibliotheken, Büchereien, Museen und anderen wissenschaftlichen Anstalten bei den Entgeltgruppen 2 bis 12 die speziellen Tätigkeitsmerkmale für diese Beschäftigtengruppe angewendet (Entgeltordnung Bund Teil III Ziffer 2). Für die Entgeltgruppen 13 bis 15 werden beim Bund die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst angewendet (Entgeltordnung Bund Teil I).
Bei den Ländern (außer Hessen) werden für Beschäftigte in Archiven, Bibliotheken, Büchereien und Museen bei den Entgeltgruppen 2 bis 12 die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst angewendet (TV-L Anlage A Entgeltordnung Länder Teil I Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst ab 1. Januar 2020). Die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Bibliotheken usw., die nur die Entgeltstufen 2 bis 10 umfassten, gelten seit 1.1.2020 nicht mehr. Für die Entgeltgruppen 13 bis 15 werden bei den Ländern weiterhin die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst angewendet (Entgeltordnung Länder Teil I).