Konrad Umlauf: Eingruppierung des wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2014, Abschn. 6.6.10)
Der wissenschaftliche Bibliotheksdienst umfasst diejenigen bibliothekarischen Aufgaben, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung (Staatsprüfung, Diplom, Master) oder eine im Sinn des Tarifrechts gleichwertige Qualifikation erfordern. Der Master einer Fachhochschule gilt als abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung, wenn er so akkreditiert ist, dass er den Zugang zur Laufbahn des höheren Dienstes bzw. zur entsprechenden Qualifikationsebene (zweites Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2) eröffnet. In den alten Bundesländern ist der wissenschaftliche Bibliotheksdienst überwiegend verbeamtet, nicht so in den neuen Bundesländern.
Im Bereich der Länder werden Arbeitsverträge für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst wie generell Arbeitsverträge nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder TV-L abgeschlossen. Im Kommunaldienst gilt der in Details verschiedene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst TVöD-Kommunen.
Im Bereich des TVöD-Kommunen haben die Tarifpartner noch keine Entgeltordnung vereinbart. Deshalb sind in diesem Bereich vorläufig weiterhin die Eingruppierungsvorschriften des Bundesangestelltentarifvertrags BAT anzuwenden, der ansonsten 2005/2006 durch TVöD und TV-L abgelöst wurde. Die im Ergebnis der Eingruppierung ermittelte BAT-Vergütungsgruppe wird im Geltungsbereich des TVöD-Kommunen gemäß der Tabelle in 6.6.3.2 einer TVöD-Entgeltgruppe zugeordnet. Dagegen trat mit Jahresbeginn 2014 für den Bereich des Bundes (TVöD-Bund) eine eigene Entgeltordnung in Kraft.
Die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Engeltordnung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder TV-L enthält Tätigkeitsmerkmale für Tätigkeiten, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung oder eine gleichwertige Qualifikation erfordern. Deshalb ist in diesem Bereich diese Entgeltordnung anzuwenden.
Für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst sieht der BAT die Vergütungsgruppen II und höher vor, die Entgeltordnung des TV-L die Entgeltgruppen E13 und höher. Für die Vergütungsgruppen II und höher im BAT gibt es anders als bei den Vergütungsgruppen für Diplom-Bibliothekare bzw. Bibliothekare mit Bachelor-Abschluss (BAT Vb, IVb und Iva bzw. Entgeltgruppen 9 bis 11) jedoch keine speziellen Fallgruppen des Bibliotheksdienstes. Auch die Engeltordnung des TV-L enthält für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst keine Tätigkeitsmerkmale in ihrem Teil II, in dem die Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigtengruppen beschrieben sind, u.a. für Beschäftigte in Bibliotheken. Entsprechend sind im Bereich des TVöD-Kommunen die allgemeinen Fallgruppen mit unspezifischen Tätigkeitsmerkmalen und im Bereich des TV-L die Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Entgeltordnung maßgebend. Sie gehen von der mit einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung erworbenen persönlichen Qualifikation und einer entsprechenden Tätigkeit aus. Es handelt sich um Tätigkeiten, die die mit einem wissenschaftlichen Hochschulabschluss erworbene Fähigkeit erfordern,
selbst wissenschaftlich zu arbeiten,
oder in wissenschaftlich fundierter Weise berufliche Aufgaben zu erfüllen
oder aufgrund der im Studium erworbenen speziellen und allgemeinen Kenntnisse Voraussetzungen für wissenschaftliche Arbeit zu schaffen.
Die charakteristischen Funktionen des Fachreferats (vor allem Auswahlentscheidungen, Bestandsentwicklung, Sacherschließung und Auskunftserteilung bei wissenschaftlicher Literatur) basieren in der Regel unmittelbar auf der im Universitätsstudium erworbenen wissenschaftlichen Qualifikation. Entsprechend erfolgt die Basis-Eingruppierung des wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes in die Vergütungsgruppe II bzw. in die Entgeltgruppe 13. Die Tätigkeitsmerkmale der höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppen enthalten weitere Anforderungen, durch die sie sich aus den Anforderungen der darunter liegenden Tätigkeitsmerkmale herausheben. D.h. die im Tätigkeitsmerkmal indirekt genannten Anforderungen müssen jeweils ebenfalls erfüllt sein.
Beispiel für die Entgeltgruppe 15 Fallgruppe 1
Es müssen folgende Anforderungen zugleich erfüllt sein, und zwar für jeweils mindestens 50 % der Arbeitszeit:
abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Qualifikation (Anforderung der Entgeltgruppe 13),
entsprechende Tätigkeit (Anforderung der Entgeltgruppe 13),
besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit (Hervorhebungsmerkmal der Entgeltgruppe 14 Fallgruppe 1),
ein sich erheblich heraushebendes Maß der damit verbundenen Verantwortung (Hervorhebungsmerkmal der Entgeltgruppe 15 Fallgruppe 1).
An die Stelle der wissenschaftlichen Hochschulausbildung kann auch eine gleichwertige Qualifikation von Beschäftigten treten, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Eine über die wissenschaftliche Hochschulausbildung hinausgehende fachliche Zusatzqualifikation (Staatsexamen für den Höheren Bibliotheksdienst, Akademischer Grad Wissenschaftlicher Bibliothekar oder Master of Arts (Library and Information Science)) verlangt die Entgeltordnung nicht. Der Arbeitgeber kann eine derartige fachliche Zusatzqualifikation jedoch zur Einstellungsvoraussetzung machen. Ein Bachelorabschluss genügt nach der Entgeltordnung TV-L ausdrücklich nicht, auch dann nicht, wenn er mehr als sechs theoretische Semester umfasste. Bewährungsaufstiege wie im BAT sind in der Engeltordnung des TV-L nicht vorgesehen.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst infrage kommenden Entgelt- und Fallgruppen der Entgeltordnung TV-L. Die Spalte Zeitliches Maß nennt das zeitliche Mindestmaß der Tätigkeiten, die die genannte Anforderung erfüllen müssen, in Bezug auf die gesamte Tätigkeit des Angestellten.
Tabelle 1: Engeltgruppen für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst nach der Entgeltordnung TV-L
Entgelt-/Fallgruppe |
Anforderungen |
Zeitliches Maß |
Kommentar |
13
(keine Fallgruppen vorhanden)
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Abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Qualifikation und entsprechende Tätigkeit
Diese beiden Anforderungen müssen bei allen folgenden Tätigkeitsmerkmalen stets ebenfalls erfüllt sein.
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1/2 |
Der Abschluss muss an einer Universität, technischen Hochschule oder sonstigen wissenschaftlichen Hochschule erworben sein. Das Studium muss nach der Studien- oder Prüfungsordnung für die Zulassung zur Prüfung mindestens sieben Semester ohne Praxis- und Prüfungssemester umfassen. Das Studium muss mit Master, Diplom oder erstem Staatsexamen abgeschlossen sein. Promotion oder Magisterprüfung gelten nur dann, wenn erste Staatsprüfung bzw. Diplom nach den Ausbildungsvorschriften nicht vorgesehen sind. Der Master einer Fachhochschule wird hier nur dann anerkannt, wenn der Studiengang so akkreditiert ist, dass er den Zugang zum höheren Dienst bzw. der entsprechenden Qualifikationsebene eröffnet. An die Stelle der wissenschaftlichen Hochschulbildung kann auch eine gleichwertige Qualifikation von Angestellten treten, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. |
14
Fallgruppe 1.
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Heraushebung aus Entgeltgruppe 13 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit |
1/2 |
Besondere Schwierigkeit: z.B. überdurchschnittliches Maß an fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten
Besondere Bedeutung: z.B. beträchtliche finanzielle Folgen, erhebliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit oder den innerdienstlichen Betrieb, besonders umfangreicher Aufgabenkreis
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14
Fallgruppe 2.
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Heraushebung aus Entgeltgruppe 13 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit |
1/3 |
Wie bei E 14 Fallgruppe 1. |
14 #Fallgruppe 3.
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Heraushebung aus Entgeltgruppe 13 durch hochwertige Leistungen bei besonders schwierigen Aufgaben |
1/3 |
z.B. längerfristig oder dauerhaft zu erfüllende Planungs- und Entwicklungsaufgaben
z.B. übergreifende Anwendung der EDV
z.B. Verbundorganisation
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14
Fallgruppe 4.
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Beschäftigte i.S. der Entgeltgruppe 13, denen mindestens drei Beschäftigte mindestens der Entgeltgruppe 13 durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind |
1/2 |
Die Unterstellung muss durch ausdrückliche Anordnung, z.B. kraft Geschäftsverteilungsplan, konstituiert sein. Schriftform ist nicht erforderlich. Es kann sich um Fach- oder Rechts- oder Dienstaufsicht oder um Kombinationen davon handeln. Zeitlich müssen mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, bei denen die Vorgesetztenfunktion ausgeübt wird.
Bei der Zahl der Unterstellten zählen nicht mit:
– Beschäftigte, die nach Teil II Abschnitt 22 (Ingenieure, technische Berufe) eingruppiert sind,
– Beschäftigte, die nach Teil II Abschnitt 9 (Gartenbau, Landwirtschaft und Weinbau) eingruppiert sind,
– Beamte des gehobenen Dienstes der Besoldungsgr. A 13. Unterstellte Beamte des höheren Dienstes rechnen mit.
Teilzeitbeschäftigte werden im Verhältnis ihrer Arbeitszeit angerechnet. Stellen, die z.Zt. unbesetzt sind, rechnen mit.
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15
Fallgruppe 1.
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Heraushebung aus Entgeltgruppe 14 Fallgruppe 1 durch ein erhebliches Maß der damit verbundenen Verantwortung |
1/2 |
z.B. aufgrund der Leitung größerer Organisationseinheiten und des besonderen Umfangs der Aufsichtsfunktionen
z.B. aufgrund Entscheidungskompetenz für Grundsatzangelegenheiten
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15
Fallgruppe 2.
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Beschäftigte i.S. der Entgeltgruppe 13, denen mindestens fünf Beschäftigte mindestens der Entgeltgruppe 13 durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind |
1/2 |
Wie E 14 Fallgruppe 4. |
Ein Katalog von Arbeitsvorgängen des wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes im Angestelltenverhältnis nach der Vergütungsordnung Bund/Länder ist dargelegt bei Vollers / Sauppe (1997). Dieser Katalog ist Grundlage für die Bewertung ausgewählter Arbeitsvorgänge nach der Entgeltordnung TV-L in Tabelle 2. Eine Erläuterung der hierin angesprochenen Bibliotheksgrößen gibt Tabelle 3.
Tabelle 2: Ausgewählte Arbeitsvorgänge des wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes bewertet nach der Entgeltordnung des TV-L
Arbeitsvorgang |
Entgeltgruppe |
Benutzungsdienst |
Leitung der Benutzungsdienste e. kleineren bis mittleren Universitätsbibliothek |
14 Fallgruppe 2. |
Leitung der Benutzungsdienste e. größeren Universitätsbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Leitung der Benutzungsdienste e. größeren Regionalbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Leitung der Benutzungsdienste e. Großbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Leitung der Informationsvermittlungsstelle |
14 Fallgruppe 2. |
Direktion |
Leitung e. kleineren Hochschulbibliothek / Universitätsbibliothek |
14 Fallgruppe 2., ggf. 15 Fallgruppe 1. abhängig vom Grad der Selbstständigkeit der Bibliothek innerhalb d. Hochschule bes. bei Literaturauswahl u. Einsatz der personellen u. sächlichen Ressourcen |
Leitung e. mittleren Hochschulbibliothek / Universitätsbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Leitung e. mittleren Regionalbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Leitung e. größeren Universitätsbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Erwerbung |
Leitung der Erwerbung e. kleineren bis mittleren Universitätsbibliothek |
14 Fallgruppe 2. |
Leitung der Erwerbung e. größeren Universitätsbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Aufsicht über den Bestandsaufbau e. kleineren bis mittleren Universitätsbibliothek |
14 Fallgruppe 2. |
Aufsicht über den Bestandsaufbau e. größeren Universitätsbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Fachreferat |
Literaturauswahl, Bestandsentwicklung für das zu betreuende Wissenschaftsfach |
13. |
Bestandserschließung nach einem hoch differenzierten, fachwissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Sacherschließungssystem |
13 |
Informationsvermittlung wissenschaftlicher und fachbibliographischer Information |
13. |
Katalogisierung |
Leitung der Katalogisierung bei einer kleineren bis mittleren Universitätsbibliothek / Regionalbibliothek |
14 Fallgruppe 2. |
Leitung der Katalogisierung bei einer größeren Universitätsbibliothek |
15 Fallgruppe 1. |
Querschnittsaufgaben |
Öffentlichkeitsarbeit |
14 Fallgruppe 2. |
Referent/in für Informations- und Kommunikationstechnik in einer kleineren bis mittleren Bibliothek |
13 |
Leitung des Bereiches Informations- und Kommunikationstechnik in einer größeren Bibliothek |
14 Fallgruppe 2. |
Tabelle 3: Größenordnungen wissenschaftlicher Bibliotheken
Größengruppe |
Zahl der Stellen nach Stellenplan (Beamte, Beschäftigte) |
Zugang in Bänden pro Jahr |
Ausleihen pro Jahr |
Großbibliotheken |
über 250 |
über 100.000 |
über 800.000 |
Größere wissenschaftliche Bibliotheken |
60 bis 250 |
30.000 bis 100.000 |
300.000 bis 800.000 |
Mittlere wissenschaftliche Bibliotheken |
20 bis 59 |
10.000 bis 30.000 |
100.000 bis 300.000 |
Kleinere wissenschaftliche Bibliotheken |
unter 20 |
unter 10.000 |
unter 100.000 |