Eine hilfreiche Unterscheidung von möglichen
Konfliktbewältigungsstrategien ist die in sieben Verhaltensmuster. Im
Zusammenhang mit der Erkennung von Konfliktsymptomen [Checkliste 2] haben wir uns
verschiedene Verhaltensweisen vergegenwärtigt, die im Rahmen eines
Frühwarnsystems auf offene oder schwelende Konflikte hindeuten. Oft erkennen
wir Konflikte nämlich gerade an den mehr oder minder erfolgreichen
Konfliktbewältigungsversuchen der Beteiligten.
Abb. 8: KonfliktbewältigungsstileDamit Sie als Konflikte kompetent managende Führungskraft schnell
erfolgversprechende Vorgehensweisen von Reaktionen auf niedrigeren Kompetenzstufen
unterscheiden können, haben wir eine weitere Checkliste angefertigt. Sie ist
von oben nach unten nach dem Reifegrad geordnet, das Verhaltensmuster 7
„Konsensfindung“ ist somit die höchste Stufe.
Hochwertige Konfliktbewältigungsstrategien sind durch eine starke Ausrichtung
auf ein Win-Win-Ergebnis gekennzeichnet. Ein paar Beispiele für
Verhaltensweisen aus dem Umfeld des jeweiligen Musters sollen Ihnen die Zuordnung und
Einschätzung der Eignung erleichtern.



Die Lösungen mithilfe Dritter (5. und 6.) ist zwischen der Kompromiss- und der
Konsensfindung aus eigener Kraft angesiedelt. Der Entscheidungsdelegation (5.) an einen
Dritten, Richter oder an Schlichtungsstellen ist die Gefahr der Nichtakzeptanz des
Urteils gegeben, wenn man „den Prozess verloren“ hat. Den
derzeitig starken Trend zu Mediationsverfahren (6.) insbesondere bei Konflikten mit
starken und weitreichenden Auswirkungen zwischen Organisationen werten viele Experten
als Ausdruck zunehmend fehlenden Vertrauens und mangelnder Gerechtigkeit in der
Rechtsprechung („Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes
Hand“), die vielfach von der Orientierung an Verfahrensnormen
geprägt ist.
Daneben wohnt der Entscheidungsdelegation immer die Gefahr der sinkenden
Konfliktlösungskompetenz inne. Diese kann indes durch Mediation
sogar noch gefördert werden. Teilnehmer lernen bei der aktiven Mitgestaltung
der Lösung in Mediationsprozessen einige hilfreiche Instrumente und Techniken
kennen, die sie bei künftigen Konfliktfällen wiederum selbst
anwenden.
Der Mediator wird sich darauf beschränken, den Prozess der
Konsensfindung zu steuern, ergebnisorientiert Input in Form von Hypothesen zu geben
sowie für die nötigen Impulse zu sorgen. Zu Beginn des Verfahrens
werden die Parteien nicht wie in Verhaltensmuster 5 (Entscheidungsdelegation z.B. an ein
Gericht) ihre Standpunkte und Forderungen darzulegen haben, sondern die Probleme und
Fragen zu definieren, an denen sie nun arbeiten und eine Lösung bzw. Antwort
finden wollen. Der Mediator wird im weiteren Verlauf das Generieren innovativer, bislang
unberücksichtigter Lösungen forcieren und Hilfen zum Beenden von
Teufelskreisen und Eskalationsspiralen zur Verfügung stellen. Eine Funktion
als Vermittler, als zwischengeschaltete Instanz zwischen den Parteien, wird ein
erfahrener Mediator höchstens vorübergehend einnehmen.
In der Praxis müssen für einen effizienten Mediationsprozess
drei bis sechs mehrstündige Sitzungen mit den Parteien veranschlagt werden.
Bei der Mediation gibt es im Gegensatz zur Entscheidungsdelegation
keine Garantie für einen Entscheid. Ob das Verfahren
zielführend ist oder ergebnislos bleibt, steht erst fest, wenn die
Lösung von allen Parteien abgesegnet wird. Dafür bedarf es
möglicherweise viel Arbeit und Geduld, aber in den meisten Fällen
ist der Aufwand geringer als bei der Alternative, die Entscheidung an ein Gericht oder
an eine übergeordnete Stelle zu delegieren.
Sind die Konfliktbeteiligten zwei oder mehrere Gruppen, empfehlen wir zumindest
für den Beginn einen Workshop. Wir haben auch hervorragende Erfahrungen mit
ausschließlich aus Workshops bestehenden Mediationsprozessen gemacht.
TIPP Führungskräften raten wir dringend davon ab, sich als
Mediator zu versuchen, sofern sie noch nicht ein paar Mediationsprozesse erlebt haben
und sich mit dem jeweiligen Mediator zumindest über den Ablauf, die
angewendeten und denkbaren Methoden und Instrumente systematisch und didaktisch
ausgerichtet ausgetauscht haben. Daneben ist die Kenntnis der vorliegenden Phase des
Konflikts entscheidend dafür, ob Sie sich einmal an das Thema heranwagen
sollten: An in Phase 3 („Entflammen“), 4
(„Brennen“) oder 5 („Dauerbrenner“)
befindliche Konflikte trauen sich selbst manche der professionellen Mediatoren nicht
heran.
Bitte prüfen Sie auch selbstkritisch, ob Sie die Voraussetzungen von
Neutralität und Unparteilichkeit erfüllen und ob Sie wirklich
bereit und interessiert sind, Ihre Zeit für die Begleitung der Parteien bei
der Erarbeitung einer Lösung und für den Aufbau von
Konfliktkompetenz zu verwenden. Sind Sie den Parteien disziplinarisch
überstellt, achten sie vor allem darauf, sich nicht von den Beteiligten in
die Rolle des Richters gemäß
Konfliktbewältigungsstrategie 5
„Entscheidungsdelegation“ drängen zu lassen.
Unzweifelhaft sinken die Erfolgsaussichten bei fortgeschrittener Eskalation auf Grund der
sinkenden Gesprächsbereitschaft der Beteiligten. Daher ist bei
fortgeschrittener Eskalation eine besonders hohe Mediationskompetenz
erforderlich, zudem Routine und absolut fehlerfreier, situations- und personoptimaler
Einsatz der Mediationsmethoden. Dies kann man nicht nebenbei, sondern nur als
„hauptberuflicher Mediator“ durch jahrelange Arbeit, entsprechende
Erfahrungen, Beschäftigung mit diesem Thema, Austausch mit anderen
Mediatoren, Supervision, sozio-psychologische Kenntnisse und kontinuierliche eigene
Weiterentwicklung erreichen.
Als Basis für das Konfliktmanagement hat sich in der Praxis das
Harvard-Konzept bewährt. Es wurde von Experten der Harvard University
entwickelt und dient der zielgerichteten Konfliktlösung durch sachgerechtes
und problembewusstes Handeln. Seine vier Handlungsmaximen, leicht modifiziert und
ergänzt aus der Praxiserfahrung der Autoren:
Menschen von Problemen und Aufgaben getrennt behandeln (Trennung von
Beziehungsebene Sachebene Funktionsebene).
Nicht Positionen und Ansichten, sondern Ziele, Interessen und
Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen.
Vor der Entscheidung verschiedene Lösungsalternativen entwickeln, die
für beide Partner Vorteile bringen.
Sich auf neutrale Kriterien zur Beurteilung der entwickelten Lösungen
einigen und hiernach entscheiden.
Wenn die Beteiligten bereit sind, diese Maximen zu berücksichtigen, ist die
Lösung des Konfliktes schon fast erreicht. Eine positive Grundhaltung und die
Beachtung der Regeln professioneller Kommunikation (vier Seiten einer Botschaft, aktives
Zuhören, Perspektivenübernahme, Paraphrasieren, Ich-Botschaften
etc.) sind hierfür eine wichtige Basis und Garant für die
Verhinderung von unnötigen Rückschlägen.
PRAXISFALL Ein kleinerer Mediationsfall, dessen Ausgangspunkt schon gut zehn Jahre
zurückliegt: Ein süddeutscher Systemlieferant für
Automobilbauteile war in keinster Weise mit der Qualität der gelieferten Ware
seines Lieferanten, einer kleineren Kunststoffspritzerei, einverstanden. Man setzte ob
der erheblichen Sachmängel und des Zeitdrucks umgehend und schriftlich eine
knappe Nachfrist. Es fanden einige hitzige Telefonate zwischen den beteiligten
Mitarbeitern beider Unternehmen statt, zumal die Vorgesetzten auf beiden Seiten wissen
wollten, wer das denn „verbockt“ habe.
Die Mitarbeiter der Kunststoffspritzerei bestritten, dass diese
Qualitätsansprüche von dem Auftraggeber zeitgerecht und
überhaupt rechtswirksam formuliert worden waren und sahen sich weder willens
noch in der Lage dazu, den auf den Maschinen laufenden nächsten Kundenauftrag
für ihrer Ansicht nach unverschuldete Nachbesserungen zu stoppen. Der
Auftraggeber wandte sich daher an einen anderen Lieferanten. Dieser hatte
Kapazitäten frei und konnte die Teile schnell in der gewünschten
Qualität liefern. Ab diesem Punkt wurde der Konflikt zur
„Rechtssache“, es ging um gewaltige
Schadensersatzansprüche, da der Systemlieferant seinerseits von dem
Automobilkonzern unter Druck gesetzt wurde.
In dieser Situation war der Leiter der Kunststoffspritzerei weise genug, uns als Mediator
um Unterstützung zu bitten (damals noch, ohne diesen Begriff zu kennen). Da
wir für beide Unternehmen auf Trainingsebene tätig waren, konnten
wir die Unternehmensleitungen dazu bringen, sich mit uns an einen Tisch zu setzen.
Charakteristika der Konfliktphase 4 („Brennen“) zeichneten die
ersten Sitzungen. Beide Seiten versuchten, das Mediatorenteam auf ihre Seite zu ziehen.
Erst als wir die Beteiligten in der dritten Sitzung tatsächlich dazu
brachten, nicht nur mit uns und über einander, sondern miteinander zu
sprechen, gaben wir eine günstige Prognose für die
Lösungsfindung ab.
Zu guter Letzt verständigte man sich auf folgenden Konsens: Der Lieferant
führt in einer festgelegten Höhe Aufträge kostenfrei
für den Auftraggeber durch. Dafür verzichtet dieser auf
sämtliche Ansprüche aus dem streitigen Auftrag. Auf
Drängen des Auftraggebers wurde festgehalten, welche
Schadenersatzansprüche sich aus diesen Aufträgen
ergäben, falls die Qualität
(„natürlich“) wieder nicht stimme. Der Auftragnehmer
bestand seinerseits darauf, dass sich die beteiligten Ingenieure und Techniker zu
festgelegten Zeitpunkten zu einem Zirkel zusammenfinden müssen, um die
Anforderungen („mal endlich“) genau zu spezifizieren und um
Mängel frühzeitig aufzudecken.
Wir haben die Streithähne nach einer gewissen Zeit erneut zum
Rückblick an einen Tisch gebeten. Offenbar war alles zur Zufriedenheit des
Systemlieferanten gelaufen. Aus Sicht seiner Mitarbeiter und der Zirkel-Teilnehmer war
die Kunststoffspritzerei gar „erste Wahl“ für kommende
Aufträge. Noch heute ist dieser übrigens sein alleiniger Lieferant
für Kunststoffteile und die regelmäßigen
Qualitätszirkel sind eine etablierte Größe.