Ulrike Verch: Jugendschutz: Prinzip der Freiwilligen Selbstkontrolle (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und
Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2011, Abschn. 10.6.4)
Das Prinzip der Freiwilligen Selbstkontrolle im Bereich des
Jugendmedienschutzes wurde in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit der
Gründung der FSK (Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) nach dem
Vorbild des US-amerikanischen Hays Code eingeführt. Auf diese Weise konnte
einerseits eine staatliche Reglementierung vermieden und andererseits durch die
freiwillige Vorabkontrollen für Filme mit dem Tag der Premiere ein
altersgerechte Zugang frühzeitig statuiert werden. § 14 Abs. 6 JuSchG lautet:
„Die obersten Landesbehörden können ein gemeinsames Verfahren für die Freigabe
und Kennzeichnung der Filme sowie Film- und Spielprogramme auf der Grundlage der
Ergebnisse der Prüfung durch von Verbänden der Wirtschaft getragene oder
unterstützte Organisationen freiwilliger Selbstkontrolle vereinbaren. Im Rahmen
dieser Vereinbarung kann bestimmt werden, dass die Freigaben und Kennzeichnungen
durch eine Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle Freigaben und
Kennzeichnungen der obersten Landesbehörden aller Länder sind, soweit nicht eine
oberste Landesbehörde für ihren Bereich eine abweichende Entscheidung
trifft.“
Mit der Gesetzesnovellierung im Jahr 2003 wurde das Prinzip der
Freiwilligen Selbstkontrolle ausgeweitet und auch auf die neuen Telemedien
übertragen, so dass zur Zeit neben der FSK noch die USK (Unterhaltungssoftware
Selbstkontrolle), die FSM (Freiwillige Selbstkontrolle
Multimedia-Diensteanbieter) und die FSF (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen)
für die Privatsender anerkannt sind. Im Bereich
der Telemedien erfolgt gem. § 19 Abs. 4 JMStV die Anerkennung über die Kommission für
Jugendmedienschutz (KJM), die 2003 als gemeinsame Einrichtung aller
Landesmedienanstalten gegründet wurde und als zentrale Aufsichtsinstanz
fungiert, um eine einheitliche Auslegung und Handhabung des JMStV zu
gewährleisten.
Wenn Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle gegen den ihnen
zugebilligten Entscheidungsrahmen oder ihre eigenen anerkannten Satzungen und
Richtlinien verstoßen, kann die KJM als Medienaufsicht ein Prüfverfahren oder
ggf. auch Sanktionen einleiten (Prinzip der regulierten
Selbstregulierung).
a) Filme
Trägermedien, die filmische Darstellungen enthalten und
Minderjährigen öffentlich angeboten werden,
bedürfen nach § 14 JuSchG einer
Alterskennzeichnung durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft
GmbH (FSK), die durch ein deutlich sichtbares Zeichen, das auf dem Bildträger
selbst oder seiner Verpackung anzubringen ist, klar erkennbar sein muss. Sind
die Filme nicht von der FSK gekennzeichnet, ist nur der Zugang für Erwachsene
erlaubt.
Als Einrichtung der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V.
(SPIO) mit Sitz in Wiesbaden engagiert die FSK rund 200 ehrenamtliche Prüfer,
die sowohl aus der Filmwirtschaft als auch aus dem öffentlichen Bereich kommen
und für 3 Jahre ernannt werden. Die genauen Prüfverfahren der Jugendfreigabe,
die grundsätzlich in vertraulichen Sitzungen getroffen werden und anfechtbar
sind, basieren neben dem JuSchG im wesentlichen auf den selbst erlassenen
Grundsätzen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH.
Die ausführlichen Begründungen der Altersfreigabe können rückwirkend bis 2002 im
Internetarchiv der FSK nachgelesen werden.
Ferner bietet die FSK auf ihrer Homepage eine öffentlich zugängliche
Datenbank, in der für
die unterschiedlichen Filmgattungen die aktuellen FSK-Altersfreigaben
recherchierbar sind.
FSK-Kennzeichnungen für Filme
|
ohne
Altersbegrenzung |
keine
schnellen Schnittfolgen, keine dunklen Szenen, keine lauten oder
bedrohliche Geräusche |
„ FSK ab 0“ weißes Label |
freigegeben ab 6 Jahren |
keine
lang anhaltenden Spannungs- und Bedrohungselemente |
„ FSK ab 6“ gelbes
Label |
freigegeben ab 12 Jahren |
keine
harten, gewaltbezogene Action-Filme, keine Helden mit
antisozialem, destruktivem oder gewalttätigem Verhalten |
„ FSK ab 12“ grünes
Label |
freigegeben ab 16 Jahren |
keine
Verharmlosung von Gewalt oder Drogenkonsum, keine
diskriminierende Inhalte, keine sexuellen Darstellungen
reduziert auf reine Triebbefriedigungen |
„ FSK ab 16“ blaues Label |
keine
Jugendfreigabe |
keine
Kriegsverherrlichung, keine gegen die Menschenwürde verstoßenden
Darstellungen menschlichen Leidens, keine grausamen oder
besonders realistischen Gewaltdarstellungen, keine sexuellen
Darstellungen, die Heranwachsende in unnatürlichen
Körperhaltungen zeigen. |
„ FSK ab 18“ rotes Label |
Bei der Ausleihe von DVDs, Videos oder sonstigen Bildträgern müssen
Bibliotheken die FSK-Altersfreigaben strengstens beachten. Auch bei einer
Selbstverbuchung darf es nicht möglich sein, dass Kinder Medieninhalte
ausleihen, die von der FSK nicht für ihr Alter freigegeben wurden, selbst wenn
die Erziehungsberechtigten anderer Meinung sein sollten. Im Zweifel muss die
Bibliothek das genaue Alter der Heranwachsenden kontrollieren. Ausgenommen sind
lediglich Filme, ebenso wie Computerspiele, die gem. § 14 Abs. 7 JuSchG das Kennzeichen
„Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ tragen und offensichtlich nicht geeignet
sind, die Entwicklung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu
beeinträchtigen. Diese Medien dürfen auch ohne Alterskontrolle ausgeliehen
werden.
Bei öffentlichen Filmvorführungen in der Bibliothek sind
Alterskontrollen hingegen wieder notwendig und die FSK-Kennzeichnungen
maßgeblich. Allerdings dürfen gem. 11 Abs. 2 JuschG Filme mit der Freigabe ab
12 Jahren auch von Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren besucht werden, wenn sie
von einem Erziehungsberechtigten begleitet werden (sog. Parental
Guidance). Darüber hinaus ist das Ende
der Vorführungszeit maßgeblich: Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren dürfen
Filmveranstaltungen, die nach 20 Uhr enden, nur in Begleitung einer
erziehungsbeauftragten Person besuchen. Für Jugendliche im Alter von 14 und
15 Jahren gilt dieselbe Regelung in Bezug auf Filme, die nach 22 Uhr enden. Und
16- und 17-Jährige dürfen schließlich keine Filmvorführungen allein besuchen,
sofern diese erst nach 24 Uhr enden.
b) Computer- und Konsolenspiele
Nahezu identisch mit den Filmausleihen sind die gesetzlichen
Regelungen für Computer- und Konsolenspiele, die über Datenträger verbreitet
werden. Auch diese dürfen
Minderjährigen nur mit entsprechender Alterskennzeichnung zugänglich gemacht
werden, wobei gem. § 14 JuSchG dieselben Altersstufen wie bei der FSK Anwendung
finden. Davon
ausgenommen sind wiederum nur Computerspiele, die als „Lehrprogramm“ oder
„Infoprogramm“ gekennzeichnet sind. Die Kennzeichnung vergibt die
Unterhaltungsoftware-Selbstkontrolle (USK), die 1994 gegründet wurde und auf
ihren Internetseiten ebenfalls eine frei zugänglich Prüfdatenbank anbietet, in
der sich die Altersfreigaben der Computerspiele recherchieren lassen.
Wenn Bibliotheken ihren Nutzern in den Lesesälen Zugang zu
Spielekonsolen oder zu CD-ROM-Stationen oder Arbeitsplätzen mit CD-ROM-Laufwerk
bieten, an denen die Bibliotheksbesucher Computerspiele nutzen können, müssen
sie die USK-Altersfreigaben strikt beachten. Wenn die Geräte öffentlich
aufgestellt sind und eine zuverlässige Alterskontrolle nicht möglich ist, dürfen
dort gem. § 13 JuschG nur Bildschirmspiele mit der Altersfreigabe ab 6 Jahren
oder Info- oder Lehrprogramme angeboten werden.
Da die Kennzeichnungspflicht für Computer- und Konsolenspiele erst
mit dem Inkrafttreten des JuSchG im Jahr 2003 verpflichtend war, bestehen
Probleme bezüglich älterer Computerspiele im Bibliotheksbestand, die noch nicht
über eine USK-Kennzeichnung verfügen und damit grundsätzlich nur Erwachsenen
zugänglich gemacht werden dürfen. Die Oberste Landesjugendbehörde beim
Ministerium für Schule, Jugend und Kinder NRW hat jedoch gegenüber Bibliotheken
den Vollzug des JuSchG in Bezug auf die Kennzeichnung dieser Computerspiele bis
zum 31.12.2009 ausgesetzt. Bis
zu diesem Datum sind Bibliotheken verpflichtet, ihren Altbestand entweder mit
einem Aufkleber auf der Hülle oder mit einem Permanentstift auf dem Datenträger
selbst zu kennzeichnen. Dazu müssen sie die Altersangaben
übernehmen, die entweder in der
USK-Datenbank oder in der
sog. Liste 1 aufgeführt werden, die der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) auf
seinen Internetseiten zur Verfügung stellt.
Daneben existiert noch eine wesentliche kürzere, sog. Liste 2, die Titel von
Computerspielen enthält, die nicht freigegeben bzw. bearbeitet wurden und
deshalb Minderjährigen nicht angeboten werden dürfen.