Konrad Umlauf: Managementkreislauf und Strategieentwicklung (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2019, Abschn. 3.3.1)
Managementkreislauf
Konrad Umlauf: Managementkreislauf (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2019, Abschn. 3.3.1.1)
Betriebliche Leistungserstellung ist in zweierlei Hinsicht ein dynamischer Prozess:
Erstens kombinieren Menschen ihre Arbeitsleistung mit denen anderer Menschen und mit Sachmitteln wie Räumen und Computern; es handelt sich also um ein Handeln in Raum und Zeit mit dem Ziel, die gewünschten Dienstleistungen zu erzeugen. Zweitens sollen die Dienstleistungen dem Bedarf entsprechen, also effektiv sein, und sie sollen wirtschaftlich, also effizient erbracht werden. Die Komplexität dieser Dynamik soll im Managementkreislauf (Abbildung) steuerbar gemacht werden.
Abbildung: Managementkreislauf (© K. Umlauf)SWOT-Analyse
Am Anfang stehen eine Stärken-Schwächen-Analyse und eine Chancen-Risiko-Analyse. Die Stärken-Schwächen-Analyse fragt:
nach dem Leistungspotenzial,
ob die Dienstleistungen den Bedarfen entsprechen,
ob die innerbetrieblichen Strukturen und Abläufe effizient sind.
Die Chancen-Risiko-Analyse fragt nach Chancen und Risiken, die sich aus
der Umwelt,
den Anforderungen und Bedarfen der Kunden bzw. Benutzer,
den Entscheidungen und Interessen der Geldgeber und Unterhaltsträger
ergeben.
Die Chancen-Risiko- und Stärken-Schwächen-Analysen werden in der SWOT-Analyse zusammengefasst (strengths, weaknesses, opportunities, threats; ausführlich siehe Abschnitt 3.3.11).
Aus der SWOT-Analyse werden Ziele abgeleitet und mit dem Unterhaltsträger und den Mitarbeitern vereinbart. Ein Beispiel soll dies illustrieren. Die SWOT-Analyse einer Spezialbibliothek an einem außeruniversitären Forschungsinstitut habe vor allem ergeben:
-
Die Chancen bestehen in folgenden Sachverhalten:
- –
hoher Informationsbedarf der wissenschaftlichen Mitarbeiter.
- –
Die relevanten Informationsquellen sind nahezu durchweg als Netzpublikation verfügbar, in Teilen im Open Access.
- –
Über Fachinformation hinaus benötigen die Mitarbeiter vielfältige Bearbeitungs- und Kommunikationswerkzeuge für ihre Forschung.
- –
Die Wissenschaftler verwenden nennenswerte Teile ihrer Arbeitszeit für Informationsrecherche.
-
Die Risiken lassen sich wie folgt umreißen:
- –
weitere Preissteigerungen der kostenpflichtigen Datenbanken.
- –
Die Dienstleistungen der Spezialbibliothek sind im Intranet nur in einem eigenen Bereich zugänglich; dieser ist über einen Link auf weit unten liegender Hierarchiestufe erreichbar.
- –
Die Wissenschaftler gewinnen zunehmend die Auffassung, dass sie alle benötigte Information über allgemeine Suchmaschinen frei im Internet finden.
- –
Die Spezialbibliothek mit der Zeitschriftenauflage wird zunehmend als altmodisch und überflüssig wahrgenommen.
-
Die Stärken der Spezialbibliothek umfassen:
- –
exzellente Kompetenzen in Information Retrieval, Content-Management-Systemen, Portalsoftware.
- –
ausgeprägte Dienstleistungsorientierung, hohes Engagement und große Lernbereitschaft der Mitarbeiter.
- –
eingespielte Kontakte zu Kooperationspartnern der Informationsbranche.
-
Ihre Schwächen bestehen in:
- –
räumlich ungünstiger Unterbringung in einem anderen Gebäude als die meisten wissenschaftlichen Mitarbeiter.
- –
Die finanziellen Mittel reichen bei weitem nicht aus, um alle relevanten kostenpflichtigen elektronischen Zeitschriften und Datenbanken zu lizenzieren.
Vereinbarung der Ziele und Maßnahmen
Aus diesem Profil ließen sich folgende Ziele ableiten, die in entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden:
Die Bibliothek initiiert den Aufbau einer virtuellen Forschungsumgebung für die Wissenschaftler und nimmt dabei die Rolle des Systemadministrators ein.
Sie verzichtet auf einen räumlichen Publikumsbereich.
In der virtuellen Forschungsumgebung werden die Recherchedienstleistungen beim Zugang zu jeder Ressource explizit beworben („Selber recherchieren / Recherchieren lassen“).
Erscheinen als Rechercheergebnis Treffer aus nicht lizenzierten Ressourcen, wird eine Bestellmöglichkeit angeboten. Die Bestellung geht an die Spezialbibliothek, die über den Lieferanten entscheidet und dies mit dem Nachweis verbindet, welche Kosten auf diese Weise vermieden werden.
Einmal jährlich werden Bedarfe nach Dienstleistungen und Zufriedenheit mit den Dienstleistungen evaluiert. In der jährlichen Institutskonferenz legt die Bibliothek einen Bericht über die Nutzung der Ressourcen vor und unterbreitet Vorschläge zur Änderung des lizenzierten Portfolios.
Die Ziele werden zunächst im Team der Spezialbibliothek erörtert; es wird ein Konsens hergestellt, dass dieses Strategiekonzept dem Unterhaltsträger mit der Bitte um Genehmigung angeboten wird. Zur Umsetzung in Maßnahmen müssen diese Ziele im Rahmen von Projektmanagement in Arbeitsschritten mit Terminen abgebildet werden.
Auswahl / Entwicklung von Indikatoren
Die Spezialbibliothek legt fest, anhand welcher in der Fachliteratur dokumentierten Indikatoren (siehe ausführlich Abschnitte 5.4 und 5.6) bzw. anhand welcher selbst entwickelter Indikatoren sie den Erfolg der durchgeführten Maßnahmen evaluiert. In Frage kommen Indikatoren wie z.B.:
Verfügbarkeit nachgefragter Titel
Anteil erfolgloser Datenbankanfragen
Marktdurchdringung
Nutzerzufriedenheit
Downloads pro Kopf
Redezeit in der jährlichen Institutskonferenz. Dieser Indikator ist selbst entwickelt und individuell.
Freihändige Einschätzung, wie die Wissenschaftler die Rolle der Spezialbibliothek beim Aufbau der virtuellen Forschungsumgebung wahrnehmen. Auch dieser freilich weiche Indikator ist selbst entwickelt und individuell.
Teilweise werden ausgefeilte Kennzahlen-Systeme verwendet.
Messung mit den Indikatoren und Vergleich der Daten
Es werden Routinen entwickelt, wie die Indikatoren angewendet werden und mit welchen vergleichbaren Bibliotheken Messergebnisse ausgetauscht werden. Bei den individuellen Indikatoren ist der Vergleich naturgemäß nicht möglich. Nach einigen Jahren Erfahrung werden in der Jahresplanung Zielwerte für die Indikatoren formuliert. Dann sind synchrone Vergleiche mit Vergleichsbibliotheken und diachrone Vergleiche mit eigenen Werten früherer Jahre und mit den Zielwerten möglich.
Erneuerung des Zyklus
In Abständen von einigen Jahren wird die SWOT-Analyse wiederholt, Ziele und Maßnahmen werden ggf. angepasst.
Strategieentwicklung in Non-Profit-Einrichtungen
Konrad Umlauf: Strategieentwicklung in Non-Profit-Einrichtungen (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2019, Abschn. 3.3.1.2)
Charakter der Instrumente zur Strategieentwicklung
Instrumente der Strategieentwicklung wurden erstmals in den 1960er Jahren in Großunternehmen entwickelt, als die Ära eines scheinbar sich selbst tragenden Wirtschaftswachstums auf Basis ungesättigter Märkte und vergleichsweise kostengünstig erzeugter Innovationen an Grenzen gekommen war und der Wettbewerb schärfere Formen angenommen hatte. Jetzt wendete man sich erstmals systematisch der Frage zu: Von welchen internen und externen Faktoren hängt der Erfolg unseres Unternehmens ab? und bearbeitete diese Frage in beträchtlichem Umfang mit der Hilfe von Unternehmensberatungen. Die dabei entwickelten Instrumente sind zum Teil nicht empirisch belegt, sondern heuristisch oder systematisiertes Erfahrungswissen. Teilweise handelt es sich um Verfahren, die nicht Handlungsanleitungen logisch aus Fakten ableiten, sondern die interne Kommunikation strukturieren, um in unübersichtlichen Gemengelagen zu Entscheidungen zu kommen.
Übertragbarkeit auf Non-Profit-Einrichtungen
Zentrale Entscheidungskriterien in den meisten Instrumenten zur Strategieentwicklung sind:
Marktwachstum. Die strategische Option ist i.d.R., sich in wachsenden Märkten zu engagieren.
Marktanteil. Die strategische Option ist i.d.R., wachsende Marktanteile zu erringen.
Kostensituation. Hier geht es darum, im Vergleich zu den Wettbewerbern Kostenvorteile zu erringen. Möglichst niedrige Kosten sind nicht generell das Ziel – Verlust bringende Kosten sind vorübergehend akzeptabel, wenn sich das Unternehmen auf expandierenden Märkten bewegt und erwartet werden kann, dass künftige Gewinne die heutigen Verluste mehr als ausgleichen werden.
Ertragssituation. Maßstab ist sowohl die Erwartung der Kapitalgeber, also i.d.R. der Aktionäre, wie auch die Ertragssituation der Mitbewerber.
Es wird deutlich, dass die Instrumente der Strategieentwicklung auf kommerzielle Märkte und privatwirtschaftliche Unternehmen mit Gewinnstreben ausgerichtet sind. Ob sie auf Non-Profit-Einrichtungen übertragbar sind, ist wenig erforscht. Gleichwohl ist die Übertragung üblich. Allerdings tut man sich immer wieder schwer, im Non-Profit-Bereich Entscheidungskriterien zu finden, weil das klare monetäre Kriterium (Kostenbelastung und Gewinnaussicht) fehlt. Ob z.B. ein historischer Altbestand eine Stärke oder eine Schwäche ist, lässt sich nicht leicht entscheiden. Wenn man in diesem Fall das Kriterium „Bedeutung der Bibliothek für die kulturelle Überlieferung“ anwendet, ist der Altbestand eine Stärke. Wendet man dagegen nutzungsorientierte Kriterien an, ist der Altbestand eine Schwäche, weil er im Verhältnis zu den Kosten vergleichsweise wenig genutzt wird. Es kommt also auf Rahmenbedingungen wie das politisch sanktionierte Profil der Bibliothek an – und darauf, ob der Unterhaltsträger seinem Auftrag eine angemessene finanzielle Zuwendung folgen lässt. Die folgende Tabelle stellt Unternehmen und Bibliotheken unter diesen Fragestellungen gegenüber.
Unternehmen |
Bibliothek |
Gewinnorientiert |
Non-Profit. Eine einheitliche Größe, in der sich alle Inputs und Outputs abbilden lassen, fehlt. |
Im Wettbewerb |
Nur in wenigen Bereichen im Wettbewerb. Wettbewerb z.T. in der Branche (andere Bibliotheken), eher außerhalb der Branche (Fachinformationszentren, Suchmaschinen) |
Im Rahmen der Gesetze entscheidungsfrei. Abhängig zwar von Entscheidungen der Eigentümer, die jedoch i.d.R. klare wirtschaftliche Maßstäbe haben. |
Abhängig von politischen Vorgaben, die teils diffus, teils nicht widerspruchsfrei sind |
Institutionell unabhängig. Ein Filialbetrieb oder ein Tochterunternehmen ist wiederum von einem Unternehmen abhängig. |
I.d.R. Teil einer übergeordneten Organisation, die ihrerseits keine Bibliothek ist. Es kann zu kulturellen und strukturellen Differenzen kommen, z.B. Dienstleistungsorientierung in der Bibliothek, Orientierung an Verwaltungsvorschriften in der übergeordneten Organisation. |
Finanziert vor allem durch die Kunden (abgesehen von vorübergehenden Phasen wie z.B. der frühen Expansionsphase bei Amazon) |
Finanziert durch Zuschüsse auf Basis politischer Entscheidungen |
Grundsätzlich offen für beliebige Geschäftsfelder. Die Offenheit wird in nur kurzfristiger Betrachtung durch Expertise im Unternehmen und Image eingeschränkt. |
Fixiert auf politisch und rechtlich definierte bzw. ausgeschlossene Geschäftsfelder |
Schrittfolge auf dem Weg zur Strategie
Konrad Umlauf: Schrittfolge auf dem Weg zur Strategie (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2019, Abschn. 3.3.1.3)
Die übliche Schrittfolge zur Entwicklung einer Strategie lässt sich mit folgendem Schaubild verdeutlichen. Gegenüber dem Managementzyklus fehlt hier einerseits das Element der Steuerung. Es ist ohne Detaillierung im letzten Schritt, der operativen Umsetzung der Strategie, enthalten. Andererseits werden nicht nur Ziele, deren Erreichung gemessen werden soll, abgeleitet, sondern eine langfristig wirksame Strategie, aus der sich wiederum konkrete Jahresziele ableiten lassen.
Die Analyse der internen Ressourcen… |
Was können wir leisten? |
plus die Analyse der externen Umwelt… |
Was erwartet die Umwelt von uns? |
…werden zu einem Portfolio aggregiert. |
Wie stellen wir uns auf, um Erfolg zu haben? |
Darauf baut die strategische Positionierung auf, |
Wohin wollen wir? |
aus der sich eine strategische Planung ergibt. |
Wie kommen wir dahin? |
Diese wird operativ umgesetzt. |
Wie setzen wir die Schritte um? |
Die Ergebnisse der Analyse der internen Ressourcen und der Analyse der externen Umwelt werden mittels der SWOT-Analyse zu einem Portfolio aggregiert. Die strategische Positionierung kann in einem Leitbild zum Ausdruck gebracht werden (siehe Abschnitt 3.2.6). Meistens gibt die strategische Positionierung jedoch detaillierter als ein Leitbild Auskunft über angestrebte bzw. vorgesehene
Kernzielgruppen und Marktdurchdringung,
Partner,
Produktpolitik, Dienstleistungskataloge,
Distributionspolitik, insbes. Angebote zur Fernnutzung und Filialbibliotheken,
Gegenleistungspolitik, insbes. Einnahmeerwirtschaftung,
Kommunikationspolitik, insbesondere bevorzugte Kommunikationskanäle und –botschaften,
Grundsätze der Personalführung und des Managements, insbes. der Evaluation.
Die strategische Planung wird mit Instrumenten wie
den SWOT-Normstrategien,
der Nutzwertanalyse oder
der Szenariotechnik
vorgenommen.
Auswahl der Analyse-Instrumente
Konrad Umlauf: Auswahl der Analyse-Instrumente (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2019, Abschn. 3.3.1.4)
Besonders häufig in Bibliotheken angewendete Instrumente mit erprobtem Bibliotheksbezug sind die folgenden:
-
für die interne Analyse:
- –
Portfolio-Matrix
- –
Stärken-Schwächen-Analyse
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für die Analyse der externen Umwelt:
- –
Umweltanalyse
- –
Benchmarking
-
für die Aggregation zu einem Portfolio und für die strategische Planung:
- –
SWOT-Analyse
- –
Leitbild
-
für die strategische Planung:
- –
Szenariotechnik
- –
Balanced Scorecard (siehe Abschnitt 5.6.5.2).
Die folgenden Zuordnungen von Problemlagen und Analyse-Instrumenten können bei der Auswahl nützlich sein.
Wenn der Fokus auf Strategie und Führung liegt:
-
Geht es vor allem um Einflussfaktoren? Dann bieten sich vor allem folgende Instrumente an:
- –
Umweltanalyse
- –
Stakeholder-Analyse.
-
Geht es vor allem um Situationsanalyse? Dann können die folgenden Instrumente bevorzugt eingesetzt werden:
- –
Stärken-Schwächen-Analyse
- –
SWOT-Analyse
- –
Organisationskulturanalyse
-
Geht es vor allem um Visionen? In diesem Fall wären die folgenden Instrumente die beste Wahl:
- –
Leitbild
- –
Szenariotechnik.
Liegt dagegen der Fokus auf Kosten und Haushaltsmitteln, dann bieten sich für Kostenanalyse bzw. Kostenkontrolle vor allem die folgenden Instrumente an:
Kostenstrukturanalyse
Scoring-Modelle
Balanced-Scorecard.
Wenn der Fokus auf Produkten, Dienstleistungen und Nutzern liegt:
-
Geht es vor allem um Produkte, Dienstleistungen? Dann sollten die folgenden Instrumente bevorzugt eingesetzt werden:
- –
Lebenszyklusanalyse
- –
Substitutionsanalyse
- –
Portfolio-Analyse.
-
Geht es vor allem um Benutzer? Wenn dies die wichtigste Problemlage ist, dann bieten sich als Analyse-Instrumente vor allem an:
- –
Zielgruppenanalyse
- –
Zufriedenheitsanalyse.
-
Geht es vor allem um die Position im Wettbewerb oder um das Aufspüren von Verbesserungspotenzial? Dann bieten sich vor allem an:
- –
Branchenstrukturanalyse
- –
Benchmarking.