Lutz Gollan: Einleitung (In: Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, hrsg. von Prof. Dr. Konrad Umlauf • Prof. Cornelia Vonhof, Hamburg: Dashöfer 2015, Abschn. 10.5.1)
Das Online-Recht befasst sich mit den rechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der Nutzung von Medien entstehen, die über elektronische Netzwerke, insbesondere das Internet, bereitgestellt und abgerufen werden. Im Jahr 2022 ist auch für Bibliotheken die Nutzung, aber auch die Bereitstellung von Informationen in Cloud-Umgebungen Alltag. Dabei werden nicht nur online-basierte Datenspeicher verwendet, sondern auch Anwendungen („Software as a Service“, SaaS), Entwicklungsumgebungen („Platform as a Service“, PaaS) oder ganze Rechner-Infrastrukturen („Infrastructure as a Service“, IaaS) von Dritten gemietet. Bestimmte Software-Programme stehen mittlerweile nur noch im Ausnahmefall als lokal installierbare Anwendungen zur Nutzung bereit. Damit liegt eine deutliche Abhängigkeit vom Anbieter vor – wenn dieser seine Dienste einstellt, ist die Software nicht mehr nutzbar.
Für die Nutzerinnen und Nutzer erhöht dies grundsätzlich die Verfügbarkeit, sei es zeitlich, sei es örtlich. Außerdem bieten Cloud-Dienste die Möglichkeit, mit verschiedenen Endgeräten oder auch unmittelbar zwischen verteilten Computern die Daten nutzen zu können. Für die anbietenden Einrichtungen steigt dabei die Komplexität aufgrund der Vernetzung, so dass wiederum spezialisierte Dienstleister im Hintergrund eingebunden werden. Andererseits erlauben verteilte und virtualisierte Systeme hoch verfügbare und skalierbare Angebote. Die zunehmenden Angriffe auf digitale Systeme (u. a. durch „Cyber-Crime“) haben wiederum zu gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Informationssicherheit auch für „einfache“ Webseiten-Betreiber geführt (s. u. 10.5.3.3).
Die Nicht-Greifbarkeit von elektronischen Informationen, ihre leichte Kopierbarkeit und die gesunkenen Speicherkosten bringen eine Tendenz zur faktischen Sozialisierung rechtlich geschützter Immaterialgüter mit sich. Zusätzlich entspricht eine Kopie eines digitalen Mediums (fast) immer dem Original, so dass eine Verfolgbarkeit von Vervielfältigungen nur schwer möglich ist (eine Ausnahme bilden neuerdings die „Non-Fungible Tokens“, die über Blockchain-Algorithmen die Einmaligkeit eines digitalen (Kunst-) Werkes sicherstellen sollen). Dies führt nicht nur im Urheberrecht, sondern auch im Strafrecht zu Interessenkonflikten, die zunehmend gesetzlich, aber weiterhin auch durch Richterrecht geregelt werden (vgl. die Entscheidungen auf https://www.bibliotheksurteile.de).
Die Netzwerke im Sinne des Online-Rechts sind sowohl das vollständig offene Internet, interne Netze etwa innerhalb einer Bibliothek oder Hochschule (Intranet) als auch für einen beschränkten Nutzerkreis außerhalb einer Organisation verfügbare „Extranets“. Je nach Zugangsöffnung gelten unterschiedliche Nutzungsbedingungen und damit auch rechtliche Implikationen.
Mit der Offenheit des Internets und der erhöhten Verfügbarkeit von (digitalen) Medien in Netzwerken verbunden sind eine Reihe von rechtlichen Fragen, die aufgrund der weiterhin hohen Entwicklungsgeschwindigkeit der Netzwerktechnologien, Medienarten und einer sich gewandelten Einstellung der Gesellschaft zur Verfügbarkeit von Netzwerkinhalten niemals abschließend beantwortet werden können. Dabei stehen die Interessen der anbietenden Einrichtungen und die der Nutzerinnen und Nutzer gelegentlich diametral einander gegenüber. Von besonderer Bedeutung im Online-Recht ist dabei, dass die Rechtsquellen sowohl im Zivil- als auch im öffentlichen Recht und im Strafrecht angesiedelt sind.
Im Folgenden werden die wesentlichen für Bibliotheken relevanten Aspekte des Online-Rechts dargestellt. Hierzu zählen neben den Rechtsgrundlagen (10.5.2) Fragen zum Bereithalten einer Homepage (10.5.3), zu Social Media (10.5.4), zur Ablieferungspflicht (10.5.5), zu WLAN-Zugängen für Kundinnen und Kunden (10.5.6), zur verwaltungsrechtlichen Seite (10.5.7) und zu Datenbanken sowie Digitalen Bibliotheken (10.5.8).